In der Novemberausgabe 2010 von brandeins ist eine schöne Zusammenfassung vom Wissensmanagement der letzten 15 Jahre zu finden.
In den letzten zwei Jahrzehnten war besonders die Speicherung des Wissens in Datenbanken im Fokus.
Erst Hype, dann Flop!
Dennoch: „… in den meisten … Unternehmen erwies sich das IT-getriebene Wissensmanagement als Flop. Die teuren Datenbanken wurden im Arbeitsalltag schlicht ignoriert, mutierten so in kürzester Zeit zu Datenfriedhöfen. … Die Annahme, dass es Wissen auf Abruf gibt, war der eigentliche Denkfehler des IT-getriebenen Wissensmanagements.“
Sehr viele Unternehmen meinen nun erkannt zu haben, dass die Mitarbeiter kommunizieren müssen auf Teufel komm raus. Web 2.0 soll dies ermöglichen. Peter Schütt von IBM hat seine Vorstellung im Enterprise 2.0, einem Unternehmensmodell, das nicht nur die Werkzeuge des Web 2.0 einführt, sondern das Wissen der Leute, die sie verwenden, auch nutzt – und zwar für möglichst viele Geschäftsprozesse. „Social Everywhere“ nennt er das.
Wieder erst Hype, dann Flop?
Jeder soll im Unternehmen zu allem Stellung nehmen, über dass er etwas weiss. Die Frage, die sich hier sofort stellt: arbeiten tun dann nur noch die, die nichts wissen. Diejenigen, die viel wissen, sind in 10 Projekten gleichzeitig beschäftigt und bewirken dadurch nur so lange etwas, wie ihr Wissen ausreicht. Sich in anspruchsvollen Projekten neues Wissen zu erarbeiten – Fehlanzeige. Mir scheint es, dass wieder einmal der Hype um Social Software aus den technischen Möglichkeiten heraus entsteht. Kaum jemand fragt, wie Wissensarbeiter individuell oder im Team Probleme lösen.
Aber wahrscheinlich muss Wissensmanagement auch diesen Flop überstehen um auf den nächsten Hype zu warten. Vielleicht kommt aber auch mal jemand auf die Idee, sich Gedanken zu machen, wie Wissensarbeit produktiver werden könnte und sucht dafür das richtige Vorgehen und die passenden Werkzeuge aus.
der wissensarbeiter
Ganz meine Meinung lieber Wissensarbeiter!
Waren es noch vor einigen Jahren Datenbanken, die im Zentrum fast jeder Wissensmanagementinitiative standen, so sind es heute Wiki, Blog & Co, die die aktuellen Wissensmanagementinitiativen in vielen Unternehmen „beherrschen“.
Wiederum sind es IT-Tools, die Wissensmanagement treiben – jedoch mit einem großen Unterschied zu früher: Die Werkzeuge des Web 2.0 sind im Vergleich zu Datenbanken viel günstiger – ja häufig gar kostenlos – und auch sehr, sehr rasch in Betrieb genommen! Und gerade darin besteht die große Gefahr, dass Wissensmanagement (wieder) ohne jegliche Konzepte („Lass uns doch einmal ein Unternehmenswiki aufsetzen und dann beobachten, wozu es von den Mitarbeitern genutzt wird!“), ohne klarer Nutzenerwartung und auch ohne Link zur Unternehmensstrategie vorangetrieben wird.
In den meisten Unternehmen besitzt Wissensmanagement als Disziplin bis heute noch keine echte „Bodenhaftung“. Mit dem schlecht oder nicht geplanten Einsatz von Web 2.0-Werkzeugen für Wissensmanagement läuft man große Gefahr, sich noch weiter von den tatsächlichen Geschäftsabläufen und damit auch von den realen Bedürfnissen der Mitarbeiter im Kontext ihrer Wissensarbeit zu entfernen, als dies ohnehin meist der Fall ist!
Es grüßt der Erfolgsdiagnostiker
Eine sehr richtige Beobachtung – aber, über Unternehmenskultur philosophieren oder gar entsprechende Projekte ins Leben zu rufen ist das eine. Einfach mal anfangen, etwas ausprobieren (und eventuell auch wieder sein lassen) ist das andere.
Fraport (Flughafen Betreiben Frankfurt) ist mit seinem Wiki („Skywiki“) seit 2007 online. Was es da braucht, ist vor allem eine Ressource: Zeit. Und in schnelllebigen oder hektischen Zeiten den Mehrwert eines solchen Tools festzustellen ist halt nicht einfach.
Deshalb: nur Mut und auch Rückschläge akzeptieren.
Gruß, wist
Hallo Herr Schachner
Danke für den ausführlichen Kommentar zu meinem Blogeintrag. Ich bin sicher, mit dieser Meinung stehen wir nicht alleine dar. Beispiel: Jochen Robes hat in seinem Blog den brandeins Artikel ebenfalls unter die Lupe genommen und fragt sich ebenfalls, wie Wissensarbeiter produktiv werden: http://www.weiterbildungsblog.de/2010/11/29/der-verborgene-schatz/
Viele Grüsse
der wissensarbeiter
Hallo Herr Stützel
Ihr Skywiki befindet sich schon einige Zeit auf meinem „Radar“ und ich konsumiere mit großem Interesse die Beiträge zu ihrem Wiki auf div. Konferenzen und in verschiedenen Fachzeitschriften.
Sie habe recht – im Einsatz von Web 2.0 braucht es insbesondere Zeit, um auch den Erfolg erkennen zu können. Diese Forderung steht für mich aber nicht im Widerspruch zur Forderung nach entsprechender Planung!
Einfach „anfangen und etwas ausprobieren“ – wie sie erwähnt haben – ist selbstverständlich ein guter Weg um die Möglichkeiten und Grenzen von Web 2.0 im Unternehmenskontext auszuloten (das entspricht ja auch der Grundphilosophie hinter Web 2.0)!
ABER: Man muss diese Möglichkeit erst haben, um diesen Weg gehen zu können. Und das setzt aus meiner Erfahrung insbesondere voraus, dass
a) im Unternehmen eine grundsätzlich positive Einstellung gegenüber neuen Methoden und Tools herrscht – und zwar über alle Hierarchieebenen hinweg.
b) seitens der Entscheider ein entsprechender Vertrauensvorschuss gegenüber jenen Personen gegeben ist, die neue Methoden und Tools vorantreiben/verantworten.
c) genügend „Spielkapital“ (nicht nur Finanzkapital sondern auch Zeit) und „Spiellust“ vorhanden sind, um etwaige Rückschläge auch zu verkraften.
d) die Mitarbeiter im Unternehmen bereit und motiviert sind, jeden neuen Versuch nach einem ev. Rückschlag auch wieder mitzutragen.
e) entsprechend viele und große, potenzielle Anwendungsfelder (Unternehmensbereiche, Themen…) im Unternehmen vorhanden sind, um unterschiedlichste Piloten zu platzieren.
f)….
In den meisten (mir bekannten) Fällen sind viele dieser Voraussetzungen eher nicht gegeben.
In Ihrem Unternehmen hingegen denke ich, haben Sie sehr gute Möglichkeiten um Neues „einfach anzufangen und auszuprobieren“. Und diese Möglichkeiten (die Ihnen z. T. vermutlich gegeben wurden, die Sie sich aber sicherlich zum anderen Teil auch hart erarbeitet haben) nutzen Sie in exzellenter Weise! Gratulation und weiterhin viel Erfolg!
Der Erfolgsdiagnostiker
Hallo Herr Stützel und Herr Schachner
Es ist sicherlich immer dann wichtig, wenn man trotz Vorarbeiten und Planung an einen Punkt kommt, bei dem das weitere Schliessen der Wissenslücke nur noch durch Ausprobieren funktioniert, eine Kultur des Fehlermachens und Lernens in der Organisation vorzufinden. Zu dieser Fehlerkultur siehe auch mein neuester Artikel unter https://wissensarbeiter.wordpress.com/2010/12/22/fortschritt-braucht-eine-fehlerkultur/.
Viele Grüsse
der wissensarbeiter