Wissensarbeit lebt davon, aus Fehlern zu lernen. Der Unternehmensberater Jens-Uwe Meyer fordert in einem Interview, dass in brandeins 09/2010 erschienen ist, Manager müssen üben zu versagen: „Scheitern wird als essentieller Bestandteil des kreativen Prozesses angesehen„.

Auch Reinhold Messner wurde nur dadurch einer der erfolgreichsten Bergsteiger, weil er aus dem Scheitern von Expeditionen gelernt hat. Und deshalb heute noch lebt.

Interessant ist auch ein Interview mit Bernhard von Mutius, das am 14.09.2010 auf ChangeX erschienen ist. Unter anderem sagt darin Bernhard von Mutius: „Wer etwas über das Gelingen von Innovationen erfahren will, sollte mit dem Misslingen beginnen und sich zunächst mit dem Scheitern beschäftigen. Ich sage das auch aus folgendem Grund. Wir in Deutschland haben ja ein seltsames, tabuisierendes Verhältnis zum Scheitern. Das widerfährt einem nicht und darüber spricht man nicht. Und wer einmal gescheitert ist, der bekommt eben nicht wie in den USA eine zweite Chance. Das ist ziemlich dumm. Denn Scheitern ist, wenn man richtig damit umgeht, eine Ressource.

Das Institut Brilliant Failures in Holland sammelt und dokumentiert gescheiterte Projekte: „Time and time again history has shown us that our most valuable experiences are more likely to come from mistakes than from successes. We learn from our failures and our failures are a source of inspiration for others. In this respect failure is not only an option but failure is also necessary!“ Ein schönes Beispiel, wie erfolgreich es sein kann, aus Fehlern zu lernen ist Steve Jobs.

Die Kultur, in einer Organisation offen mit Fehlern umzugehen und daraus zu lernen ist wahrscheinlich einer der Faktoren, der die Produktivität von Wissensarbeit sehr stark positiv beeinflussen könnte. Aber kein Wissenschaftler würde je einen Blumentopf gewinnen, indem er über fehlgeschlagene Experimente oder sich als falsch herausgestellte Theorien publiziert. Dabei wäre diese Erfahrung für andere Wissenschaftler extrem wertvoll und könnte der Entwicklung einen grossen Schub geben. Aber ich glaube, hier sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Unsere Gesellschaft – beruflich und privat –  ist nun mal eine Erfolgsgesellschaft. Menschen, die Fehler machen oder Niederlagen erleiden, sind weitaus weniger beliebt als Gewinnertypen. Im Sport bewundern wir Mannschaften, die nach einem Abstieg wieder in die erste Liga aufsteigen oder Sportler, die nach heftigen Niederlagen oder schweren Verletzungen wieder zur Spitze zurückfinden. Im Berufsleben werden Mitarbeiter, die einen Fehler begangen haben, aber oft gnadenlos behandelt: nur noch einfache Aufgaben, keine Lohnerhöhung, kaum mehr Karrierechancen, manchmal sogar Verlust der Glaubwürdigkeit und Kündigung.

Wie erfolgreich Firmen mit einer Fehlerkultur sein können, darüber habe ich bereits vor einiger Zeit am Beispiel der Firma Gore geschrieben. Auch wenn wir die Wissenschaft mit ihren falschen Anreizsystemen nicht produktiver machen können, im Kleinen zeigt uns das Beispiel von Gore, dass es geht.

der wissensarbeiter

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  1. amruthgen sagt:

    Ich möchte dieser Sicht aus philosophischer Sicht noch Aspekte hinzufügen.

    Die philosophische Tradition der Wahrheitssuche, die auch heute noch Beiträge zu Grundlagen von ‚Wissen‘ und ‚Wissenschaft‘ implizit lenkt, hat eine Kultur des ‚recht-haben-müssens‘ hervorgebracht. Gelänge es die Möglichkeit des ‚recht-haben-könnens‘ als unbegründete Implikation allen Wissens unter Wissenden zu entdecken, hätten wir viel gewonnen und zusätzlich das, was die Aufklärung vor Jahrhunderten in Angriff nahm, endlich geleistet.

    Falls uns Wissenschaftstheoretisches zu weit weg ist, könnten wir auch von anderen gelasseneren Einstellungen lernen. Ein griechischer Rechtsanwalt erläuterte mir an der Bezeichnung „menschliches Versagen“ – die in unseren Medien routinemäßig für die Ursache von Unglücksfällen verwendet wird – folgendes: Diese Bezeichnung löse unter Griechen schallendes Gelächter aus. Griechen gingen nämlich stets davon aus, dass Menschen per se fehlerhaft handeln. Mithin sei mit dem Hinweis „menschliches Versagen“ nichts weiter gesagt, als: Menschen verursachen Unfälle. Eine Erklärung könne eigentlich nur aus der Sache kommen, merkte er an.

    Was den Unterschied in pragmatischer Hinsicht ausmacht?
    Ein Grieche kann sich ganz auf die Sache konzentrieren, wenn er einen Fehler finden möchte, ein Deutscher muss mit der Sache sein Ansehen retten und hat so ein zusätzliches Problem.

  2. Tim Krischak sagt:

    Diese Haltung hält in Organisationen Mitarbeiter davon ab Erfahrungen zu teilen. Es scheint aber auch eine Gegenbewegung zu geben. Ich habe gelesen, dass es in den USA eine Veranstaltung mit dem Namen Fail-Konferenz gibt, auf der Unternehmer über ihr Scheitern berichten, damit andere aus diesen Erfahrungen lernen können. Guter Ansatz.

  3. wissensarbeiter sagt:

    Liebe Frau Wirthgen, lieber Herr Krischak

    Danke für Ihre Ergänzungen. Das „recht-haben-müssen“ und die Angst davor, einmal nicht recht zu haben, behindert Menschen und damit auch ganze Organisationen, ihr Potential auszuschöpfen. Aber jeder kann im Kleinen damit beginnen nach dem Vorbild der Griechen zu handeln oder offen über Fehlschläge zu berichten, sozusagen eine Fail-Konferenz im Kleinen. Der Link zur echten Fail-Konferenz 2010 ist übrigens: http://failcon2010.com/.
    der wissensarbeiter

  4. amruthgen sagt:

    @Tim Krischak und @wissensarbeiter

    Es dürfte Einzelnen schwer fallen, Fehler als Lernchance unbelastet in ihr Handeln und Empfinden zu integrieren. Hilfreich kann es da sicher sein, wenn andere dies vormachen. Eine entsprechende Anleitung braucht dieses Lernen einer Fehlerkultur vermutlich außerdem. Hier fand ich noch interessante Anregungen: http://fitforfuture.de/ger/richsrce/mistakes.htm

  5. […] Die im obigen Zitat beschriebene persönliche innere Trägheit, etwas mittelmässiges einmal umzusetzen um zu sehen, ob die Idee gut ist, finden wir in den heutigen Organisationen in form von Systemträgheit genauso wieder. Jedes Unternehmen, dass dies besser macht, hat klare Vorteile, denn Fortschritt braucht eine Fehlerkultur. […]

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