Die Berliner Firma Pumacy hat im November 2014 eine sehr schön gemachte Übersicht über Softwaresysteme für Wissensmanagement publiziert. Mit der von Pumacy vorgeschlagenen Klassifikation sowie deren Einsatzkriterien erhält man schon einen recht guten Überblick, wenn es darum geht, sich über Wissensmanagementsysteme Gedanken zu machen. Wenn man noch grundsätzlicher an die Sache herangehen möchte, muss man auch die Art der Arbeit, die vorhandenen Organisationsformen sowie Information- und Zusammenarbeitstypen in Betracht ziehen. Die verschiedenen Arten der Arbeit kann man nach dem Schema vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation einteilen. Als Organisationsformen sehe ich grundsätzlich die beiden Typen Hierarchie sowie Netzwerke. Beide sind in fast allen Unternehmen immer gleichzeitig vorhanden. Wichtig ist allerdings welche der Organisationsformen letztendlich die bedeutenden Entscheidungen für das Unternehmen trifft. Information und Zusammenarbeitsmodelle kann man grundlegend darin unterscheiden, wieviel Struktur man diesen Bereichen vorgibt.

Die folgende Grafik bringt diese drei Dimensionen in Zusammenhang mit der Typisierung von Information und Zusammenarbeit nach Struktur in einen Bezugsrahmen.

Grafik_Software_Wissensmanagement

Kombiniert man nun die Klassifikation von Pumacy mit der Idee der Unterscheidung nach Struktur von Information und Zusammenarbeit, lässt sich eine Dreiteilung der Kategorie von Softwaresystemen für Wissensmanagement ableiten:

  • Systeme zur strukturierten oder unstrukturierten Ablage von Information/Wissen
    • Strukturiert: z.B. Dokumentensammlung in Sharepoint mit Metadaten wie Autor, Datum, Stichworte, Kategorie, usw. oder Expertenverzeichnis mit Name, Standort, Wissensschwerpunkte, usw.
    • Unstrukturiert: z.B. Wikis oder Blogs
  • Systeme, die Prozesse und Zusammenarbeit strukturiert oder unstrukturiert unterstützen
    • Strukturiert: Workflow Tools, die Abläufe steuern und die Zusammenarbeit zwischen Personen exakt strukturieren
    • Unstrukturiert: Collaboration Tools, die Wissensarbeitsprozesse mit Zusammenarbeit mehrerer Personen unterstützen, wenig prozessorientiert, viel mehr ergebnisorientiert. Beispiele sind Diskussionsforen, Enterprise Social Networks, gemeinsames Arbeiten an Dokumenten usw.
  • Enterprise Search
    • Suche über alle Artefakte und Datenbankeinträge in den oben genannten Informationsquellen und weitere.

Anhand eines Beispiels einer Wissensmanagement Suite, der Business Suite von Haufe, möchte ich die Anwendung der beschriebenen Klassifikation anwenden. Haufe hat basierend auf der Open Source Plattform Liferay eine Suite für Wissensmanagement entwickelt.

  • Ablage von Information/Wissen:
    • Strukturiert: Content Management- und Dokumentenmanagementsystem
    • Unstrukturiert: Enterprise Wiki und Blogs
  • Prozesse und Zusammenarbeit:
    • Strukturiert: Case- und Prozessmanagement
    • Unstrukturiert: Diskussionsforen
  • Enterprise Search: Semantische Suche über alle Inhalte (Suchmaschine L4 von Moresophy)

Nach meinen Erfahrungen ist es von enormer Wichtigkeit, sich klar zu werden, was strukturiert und was unstrukturiert erfasst werden soll. Jede strukturierte Erfassung benötigt normalerweise Zusatzaufwand. Als Nutzen werden die Suche sowie die Auswertung deutlich besser und genauer. Ein Beispiel: Wenn ich die Informationen zu den Wissensgebieten der Mitarbeiter strukturiert ablege, kann man Auswertungen darüber machen, über wieviel Mitarbeiter mit bestimmten Skills ein Unternehmen verfügt. Dokumente ohne Metadaten, Artikel im Wiki, Blogartikel oder Beiträge in Diskussionsforen lassen sich zwar über eine Suchmaschine basierend auf Stichworten finden, Auswertungen sind aber wesentlich ungenauer als bei strukturierter Erfassung. Anhand der drei Dimensionen in der oben gezeigten Grafik erkennt man auch, dass ein Wissensmanagementsystem zur Art der Arbeit des Unternehmens oder der jeweiligen Abteilung passen muss inklusive der entsprechenden Organisationsform. Ein Enterprise Social Network scheitert unweigerlich, wenn klare Prozessvorgaben die Arbeitsabläufe fest definieren und die Kommunikation mit Entscheidungen von oben nach unten in der Hierarchie abläuft. Die Hoffnung, dass die Einführung eines Enterprise Social Networks nebenbei die Kultur und Organisation eines Unternehmens ändert, hat sich wahrscheinlich noch nie erfüllt. Deshalb sind Wissensmanagementprojekte, die grundlegende Änderungen bei den Mitarbeitern erfordern, viel mehr Transformationsprojekte als nur eine Einführung bestimmter Tools. Eigentlich nichts Neues, aber dennoch immer wieder wichtig daran zu erinnern. Entscheidend sind also wieder einmal der Nutzen, den man als Unternehmen erreichen möchte und der Aufwand für den Change, den man seinen Mitarbeitern zumuten will.

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  1. […] Zum Beitrag: …/software-fur-wissensmanagement/ […]

    • Raul Katos sagt:

      Ziemlich alt, der Beitrag. Dennoch ist es die klassische Beschränkung auf einzelne Tools und damit nur max. die Hälfte dessen, was Wissensmanagement ausmacht. Frei nach dem Motto: a fool with a tool is still a fool. 😉

      • wissensarbeiter sagt:

        Hallo Raul
        Danke für deinen Kommentar. Das ist absolut richtig, was du sagst. Ich bin heute sogar der Meinung, dass Wissensmanagement – also die Organisation und das Verwalten von Wissen ausserhalb der Köpfe von Personen – Unsinn ist. Man kann sicherlich Dokumente zugänglich machen und auch Verzeichnisse führen, wer z.B. in welchem Projekt mitgearbeitet hat usw. Aber die Musik spielt in der Art wie Individuen und Teams Wissensarbeit bewältigen – also komplexe Problemstellungen lösen. Das ist wesentlich entscheidender als irgendwelche Wissensmanagement-Initiativen oder auch Tools. Hier sehe ich auch die grössten Unterschiede zwischen Personen und auch Unternehmen.

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