Bis heute ist IBM eines der Vorzeigeunternehmen für eine gelebtes Enterprise 2.0. Gemäss eines Artikels in Spiegel Online vom 05.02.2012  und eines Artikels im Handelsblatt vom 02.02.2012 stehen mit der neuen Deutschland-Chefin Martina Koederitz nun andere Ziele im Vordergrund. IBM versucht, einen grossen Teil der Wissensarbeit auf Internetplattformen an Freelancer zu vergeben und möchte fast die Hälfte aller Arbeitsplätze in Deutschland abbauen. Arbeit auszulagern ist grundsätzlich nichts Neues, das Ausmass, das IBM hier anstrebt, um eine Kommodifizierung von Wissensarbeit zu erreichen, ist allerdings schon aussergewöhnlich.

Zitat aus Spiegel Online:

„Denn der Plan ist offenbar Teil einer grundlegenden Neuorganisation von Arbeitsstrukturen. Einem internen Papier zufolge, dass dem SPIEGEL vorliegt, will IBM die Beziehungen zu seinen Arbeitskräften radikal verändern.So soll der Konzern künftig nur noch von einer kleinen Kernbelegschaft geführt werden. Spezialisten und Fachkräfte hingegen will IBM auf einer eigens gegründeten Internetplattform anwerben. Dort sollen sich freie Mitarbeiter aus der ganzen Welt präsentieren…“

Wenn wir die Grafik von Harold Jarche betrachten und die hohe Anzahl der wegfallenden Arbeitsplätze betrachten, dann interpretiere ich dies als Versuch, möglichst viele Tätigkeiten auch im Bereich Knowledge Work extern zu vergeben. Entscheidend wird dabei sein, Wissensarbeit in kleine Einheiten zu zerlegen und standardisiert an Freelancer zu vergeben.

Durch den von IBM angepeilten globalen Wettbewerb unter den Freelancern, wird in den meisten Fällen die Person den Zuschlag bekommen, die die gleiche Aufgabe schon mehrfach erledigt hat und daher dies schnell und günstig anbieten kann. Für diese Person ist die Aufgabe dann nur noch zu einem geringen Teil Wissensarbeit, der Grossteil ist Routine. Der globale Wettbewerb mit Anbietern aus Fernost oder Osteuropa wird sein übriges für einen raschen Preisverfall tun.

Die Frage ist nun, wie IBM es schafft, Projekte in kleine gut beschreibbare Einheiten zu zerlegen, die global an beliebigen Orten in der Welt von den preisgünstigsten Anbietern erledigt werden können. Auch die Qualitätskontrolle der gelieferten Resultate wird eine grosse Herausforderung sein. Ich bin gespannt, wie IBM dies angehen wird.

Eine Frage stellt sich hier sofort: ist dies nach den beachtlichen Erfolgen mit agiler Entwicklung ein Rückfall in ein tayloristisches Zeitalter oder kann intensives Outsourcing mit agilen Ideen kombiniert werden?

Eine Antwort »

  1. Rainer Grau sagt:

    Nette Idee, nur frage ich mich woher dann Innovation und gemeinsame Visionen kommen sollen. Die vielen routinierten Knowledge-Ameisen haben ja nie die Chance die gemeinsame Vision ihrer Arbeit zu sehen – und noch viel schlimmer, haben auch kein Interesse daran, da sie ja im kompetitiven Wettbewerb mit allen anderen Ameisen sind.
    Ich möchte keine Ameise sein. Das sind ja hoch organisierte Staaten, diese Ameisen, aber mit der Innovation haben sie es nicht. Ameisen leben seit tausenden von Jahr mehr oder weniger unverändert. Ob das ein Zukunftsbild für die Menschheit ist?
    Ich hoffe es nicht. IBM halte ich für eine tolle Firma, aber nicht alle Ideen, die von dort kommen, sind Perlen.
    Wenn die Idee wenigstens wäre kleine innovative Teams oder Firmen als Partner zu beschäftigen… aber vielleicht kommt Frau Martina Koederitz ja noch auf diesen Gedanken.

    • wissensarbeiter sagt:

      Der Vergleich mit den Ameisen ist ein sehr treffender Vergleich. Zu simple gesellschaftliche Systeme sind nicht zur Innovation fähig aber können sehr effizient sein. Simplen Organisationen geht es genauso.
      Wir wissen natürlich nicht, wieweit IBM gehen möchte, um die Arbeiten in kleinste Einheiten zu zerstückeln und diese dann über ein Internetportal an den billigsten Anbieter zu vergeben. Einen Eindruck davon, wie so etwas aussehen kann bietet ein Erfahrungsbericht über clickworker.com unter http://www.squizzel.de/blog/2010/04/15/heimarbeit-teil1-geldverdienen-als-clickworker/
      Die Stundenlöhne fürs Texten oder übersetzen sind dort im tiefsten Keller.

  2. Auf das Ergebnis bin ich schon sehr gespannt…

  3. […] Wissensarbeiter verlieren. Firmen wie Google, 3M oder Gore haben hier sicherlich kaum Probleme. Was IBM machen wird, steht noch in den Sternen. Teilen Sie dies mit:Gefällt mir:Gefällt mirSei der Erste, dem […]

  4. […] Zusammenhang habe ich auch an der interPM 2012 vorgestellt. Daher bin ich der Meinung, dass die Bestrebungen von einzelnen Unternehmen, einen grösseren Teil der Softwareentwicklung über Portale … um so die Kosten deutlich zu senken, auch Grenzen hat. Ich glaube, nur die sehr einfach in kleine […]

  5. […] kürzere Verweildauer beim Arbeitgeber, bis hin zu mehr Freelancer) und Ökonomisierung (z.B. Trend zur Zerlegung von Arbeiten in kleinste Einheiten und Cloud-Organisation) auch die hochqualifizierten Arbeitnehmer nicht von Änderungen verschont bleiben. Die weiter […]

  6. […] Modularisierung der Arbeit mit Fragmentierung und hoher Spezialisierung kann im Verbund mit Crowd Sourcing und weltweitem Zugriff auf Spezialisten zur Kommodifizierung der Arbeit führen. Damit gibt es bei einer Economy of Individuals auch jede Menge Personen, die trotz Zugang […]

  7. […] Eine der Thesen ist, dass es in 10 bis 20 Jahren keinen Unterschied mehr macht, wo wissensintensive Arbeiten erbracht werden und eine weitere These sagt aus, dass die meisten technologischen Innovationen in Asien entstehen. Beide Thesen haben über 70% Zustimmung in der Befragung erhalten. Auf der anderen Seite wird es noch ausgeprägter als heute polare Organisationsmodelle geben. Die sogenannten Caring Companies müssen zwingend Unternehmen sein, die im globalen Innovationswettbewerb besser als die Konkurrenz aus Asien sind, da sonst die Kosten für Löhne, Infrastruktur und die angestrebte Work-Life Balance der Arbeitnehmer viel zu hoch sein werden. Für die Clowdworker, die über Web Plattformen ihre Dienstleistungen zur Verfügung stellen, ist zu befürchten, dass diese mit Wissensarbeitern aus Asien um Aufträge konkurrieren und hier sich wahrscheinlich eine Preisspirale nach unten entwickelt. Sicherlich wird das nicht bei allen Arten von Dienstleistung der Fall sein, insbesondere nicht wenn Sprache oder landestypische Kultur wichtige Anforderungen bei der Erbringung der Dienstleistung  sind. Dennoch, lassen sich hier schon klare Trends beobachten. […]

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