CampNouMicrosoft hat im April 2014 ein Manifest zur neuen Arbeit veröffentlicht. Das dreiseitige Papier möchte eine neue Geisteshaltung in die oft sehr technokratische Diskussion über die Arbeit der Zukunft bekommen. Die haben dabei die folgenden zentralen Forderungen aufgestellt:

  • ein Recht auf Arbeit, so wie wir sie wollen
  • ein Recht auf selbstbestimmte Freizeit
  • die Abschaffung von künstlichen Hierarchien
  • Strukturen, in denen wir vertrauensvoll, frei und produktiv kommunizieren können
  • Verantwortung für uns selbst und für unsere Arbeit

Thorsten Hübschen von Microsoft sagt, die sozialen Fähigkeiten und Bedürfnisse sollten sich moderner technischer Mittel bedienen, und sich nicht von ihnen drangsalieren lassen. Die Studie wurde in den vergangenen Wochen im Rahmen diverser Veranstaltungen vorgestellt und diskutiert, so unter anderem auch auf der Digitalkonferenz re:publica 2015. http://youtu.be/ox944_CBsSQ Dieser in den oben genannten zentralen Forderungen herausstechende Wunsch nach Autonomie entspricht dem, was das Fraunhofer Institut schon in einer Studie 2009 herausgefunden hat. Wobei man immer berücksichtigen muss, dass die Wurzeln des Bedarfs an Autonomie in der Regel in der intrinsisch vorhandenen Motivation nach persönlicher Produktivität liegen und nicht im „tun und lassen, was man will“. Der Job von Wissensarbeitern ist es nun mal Lösungen zu bestehenden oder immer öfter auch unklaren Problemstellungen zu finden. Und Problemlöseprozesse sind eben individuell völlig unterschiedlich. Unternehmen sind hier im Zwiespalt aus Zulassen von Autonomie und Einfordern von Alignment gefangen. AutonomyAlignment Die Grafik zeigt wie Einzelkämpfer mit ihrem Drang nach Autonomie sehr wahrscheinlich wenig zum Team- oder Unternehmensziel beitragen. Wissensarbeiter, die Dienst nach Vorschrift machen tragen ebenfalls eher wenig bei und scheuen oft jeden Konflikt, der durch das Einbringen von Ideen oder Lösungsvorschlägen entstehen könnte. Ganz oben rechts haben wir zwar viel Autonomie bei den Wissensarbeitern, z.B. in der Form, dass diese bei der Lösungsfindung auch eigene unkonventionelle Wege beschreiten dürfen, ihre persönlichen Ziele decken sich aber sehr gut mit den Unternehmenszielen. Sie agieren trotz hoher Individualität im Sinne des Teams oder des ganzen Unternehmens. Hier beginnt dann auch der Bereich, den ein Unternehmen nur erreichen kann, wenn es Selbstorganisation zulässt. Nur wenn der durch das Management aufgespannte Rahmen den Wissensarbeitern genügend Freiraum lässt und sie ihre Autonomie im Einklang mit den Unternehmenszielen ausleben dürfen, entstehen Teams, die grossartiges vollbringen. Ein Vergleich mit Fussball zeigt, dass es immer wieder Teams mit grossartigen Individualisten gibt, die aber zusammen wenig Erfolg als Mannschaft haben. Das Alignment, z.B. die Spieltaktik und der hohe Bedarf an Autonomie dieser Spieler passen nicht zusammen. Aktuell sind in Europa zwei Fussballmannschaften, die beide im Champions Finale 2015 stehen, Vorbilder für ein Alignment, das die Autonomie der Stars nahezu perfekt in deren jeweiliges Spielsystem integriert. Das sind der FC Barcelona und Juventus Turin. Messi, Neymar und Suarez haben ihren Spielraum bei Barcelona und setzen diesen für den Erfolg der Mannschaft ein. Bei Turin sind es Pirlo, Teves und Vidal, die obwohl alles Weltstars, ihre Individualität im Sinne des Teamerfolgs ausleben können. Beide Trainer haben diesen Spagat aus Autonomie und Alignment perfekt gestaltet. Das ist sicherlich in unserer heutigen Individualgesellschaft eine herausragende Managementleistung. Dieser Herausforderung müssen sich Unternehmen und deren Management stellen, wenn sie die besten Wissensarbeiter beschäftigen wollen und diese ihr Können im Sinne des Unternehmens einsetzen sollen. Das Manifest zur neuen Arbeit drückt diesen Wunsch nach Autonomie heutiger Wissensarbeiter nachdrücklich aus. Manager haben die äusserst anspruchsvolle Aufgabe diese für Spitzenleistung notwendige Individualität mit einem perfekt passenden Alignment einzufangen.

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  1. wissensarbeiter sagt:

    Korrektur: Microsoft hat das Manifest zur neuen Arbeit bereits am 30.04.2014 veröffentlicht. Ich habe das heute im Text korrigiert. Danke an Sven Labenz, Faktor3 AG für den Hinweis.

  2. Wenn ein ‎Director Marketing & Operations der Microsoft Office Division in Deutschland ein „Manifest“ herausgibt, das im Ergebnis darauf hindeutet dass moderne Wissensarbeit SAAS-Tools braucht, dann könnte das eine ehrliche grosse Erkenntnis sein, die ganz Microsoft aus dem inneren Wissensarbeiterherzen spricht und den dortigen Kulturwandel darstellen möchte.
    Es könnte aber auch sein, dass es vor allem der Vermarktung der Online-Office-Produkte dient und Microsoft selbst die Inhalte nicht im Traum als Basis der eigenen Arbeitsweise sehen würde. Aber vielleicht misstraue ich zu Unrecht spontanem Kulturwandel in Konzernen.

    Ansonsten vielen Dank für den exzellenten Blog!

    • wissensarbeiter sagt:

      Hallo Johann-Peter
      Ich weiss nicht wie Microsoft in Deutschland oder anderen Ländern arbeitet. In der Schweiz kenne ich aber ein paar wenige Mitarbeiter persönlich und die Ideen des Manifests werden bei Microsoft Schweiz tatsächlich auch so gelebt. Natürlich erfordert die permanente Erreichbarkeit und das „Arbeiten wann und wo man will“ eine grosse Portion Selbstdisziplin. Das haben mir zumindest die beiden Mitarbeiter bestätigt.
      Viele Grüsse, Jörg

  3. […] hohe Anspruch an Selbstbestimmtheit bestätigt, was im Manifest zur Neuen Arbeit formuliert wurde. Auch der Samstag startete wieder mit einer Keynote. Bruno Gantenbein, ein […]

  4. […] im Manifest zur neuen Arbeit, das Microsoft im April 2014 veröffentlicht hat, werden “Strukturen, in denen wir […]

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