Alle bedeutenden Parteien in Deutschland haben im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009 das Thema Arbeit intensiv zum Fang von Wählerstimmen genutzt. Die SPD versprach 4 Millionen neue Arbeitsplätze bis 2020, die Linke würde gerne 1 Million Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst schaffen und die FDP mit der CDU wollen die Steuern senken und so Wachstum erzeugen, ebenfalls mit dem Ziel neue Arbeitsplätze zu schaffen. Gerne wird der Bevölkerung immer noch der Glaube an die Vollerwerbsgesellschaft vorgegaukelt um Wählerstimmen einzufangen. Wenn man einmal die Statistik zur Entwicklung der Arbeitslosenquote in Deutschland anschaut, sieht man sehr leicht, dass nach jeder Krise (1973, 1982, 1992, 2001) zwar die Arbeitslosenzahl wieder abgenommen hat, aber bei weitem nicht mehr den Ausgangszustand erreichte bevor die nächste Krise kam. Dieser Trend wird praktisch von allen Parteien in der Kommunikation zum Volk nicht erwähnt.
Irgendetwas passiert in der Gesellschaft, für das die Politik in Regierung und Opposition keine Antworten hat. In der Ausgabe September 2009 von brandeins beschreibt Wolf Lotter in seinem Artikel An die Arbeit die Ursachen der seit Jahrzehnten insgesamt stetig steigenden Arbeitslosigkeit. Die Aufrechterhaltung der Industriegesellschaft um jeden Preis sowie die Ignoranz darüber, dass es für immer mehr Menschen keine Arbeit mehr gibt und zukünftig auch nicht geben wird. Der Soziologe Georg Votruba ordnet die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in vier Gruppen ein: Langzeitarbeitslose, Existenzpendler mit wechselnden Jobs, Normalarbeiter im Angestelltenverhältnis sowie die Gruppe der Arbeiter, deren Kapital Wissen ist.
Die Existenzpendler bewegen sich meist im Niedriglohnsektor mit Tätigkeiten, die oft keine berufliche Qualifikation erfordern. Solche Tätigkeiten stehen durch das Überangebot an Arbeitskräften unter grossem Lohndruck oder können nur mit Niedriglohn vor der Auslagerung in Billiglohnländer bewahrt werden. Die Normalarbeiter, die Angestellten, verrichten in der Produktion oder als Sachbearbeiter in der Dienstleistung meist Tätigkeiten mit einem starken Anteil an Routinearbeit. Oft landen Manager ebenfalls in dieser Kategorie, zumindest wenn sie versuchen sich auf die Administration zu beschränken und das Denken nach unten delegieren da ihr aktuelles Wissen die Realität um sie herum nicht mehr klar reflektiert. Die letzte Gruppe, die Wissensarbeiter, sind die, die durch die Realisierung von Projekten, die Entwicklung innovativer Produkte sowie der Formulierung von Stategien und deren Umsetzung am Markt erfolgreich sind und dadurch neue Arbeit schaffen.
Die Jobs, die im nächsten Aufschwung neu entstehen werden, benötigen hochqualifizierte Wissensarbeiter. Der Trend der Zunahme der Arbeitslosigkeit zeigt, dass die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen immer weniger zu den Anforderungen einer Informations- und Wissensgesellschaft passt. Auch die Zahlen zur Arbeitslosigkeit unter Ingenieuren 2008 – es waren ca. 21000 Ingenieure arbeitslos gemeldet – und die Anzahl der offenen Stellen – allein in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen allein fast 30000 – zeigen diese Tendenz eindeutig. Diese leicht nachzuvollziehende Erkenntnis kann eine Gesellschaft sehr belasten. Diese wird anfällig für extreme Parteien und deren Ideologien, die Verwaltung und Kontrolle von staatlichen Unterstützungsmassnahmen verschlingt Milliarden und durch soziale Unruhen können auch die, die Arbeit haben, ihre Freiheit nicht mehr geniessen.
Hoffen wir, dass die neue Regierung die nächsten vier Jahre nutzt, dieses Problem einmal zu ergründen und ins Bewusstsein der Bevölkerung bringt. Erst dann lassen sich Lösungen wie zum Beispiel das garantierte Grundeinkommen diskutieren. Für alle Wissensarbeiter aber gilt: das Wissen ist unser Kapital, welches zur Lösung von Problemen zur Anwendung kommt und dadurch wächst und sich vermehrt. Dieses Kapital gilt es zu mehren und nutzbringend einzusetzen. Wir sind also so etwas wie Wissenskapitalisten und verfügen selbst über das wichtigste Produktionsmittel . Marx hätte seine Freude an uns gehabt…
der wissensarbeiter